Eine Distribution mit dem Namen Windows 7
In meinem Freundeskreis höre ich seit neuestem immer öfter von der „Windows“-Distribution von der Firma Microsoft. Vor allem die Einsteigerfreundlichkeit und die große Auswahl an kostenlosen (jedoch nicht quelloffenen) Programmen wird gelobt. Darum entschied ich mich, dem Außenseiter im OS-Rummel eine Chance zu geben.
Auf der Homepage der Distribution erfahre ich, dass die aktuellste Version „Windows 7“ heisst, doch ein iso-image suche ich vergebens. Nach weiterer Recherche erfahre ich, dass man es nur käuflich erwerben kann, zum stolzen Preis von 120 Euro für die Basisversion – dafür wird einem u.A. telefonischer Support geboten.
Die Installation verläuft simpel, doch anscheinend erkennt Windows meine ext3-Partitionen nicht und zeigt sie als „unbekannt“ an. Nach der Installation dann der Schock – der Grub-bootloader wurde einfach gelöscht ohne ihn durch einen anderen Bootloader zu erstetzen. Damit macht sich die junge Distribution keine Freunde. Nach dem Wiederherstellen des Bootloaders und dem ersten Start präsentiert sich Windows in schickem Gewandt und mit netten grafischen Effekten. Doch schon das Aufbauen einer Internetverbindung bereitet Probleme: für meinen knapp 2 Jahre alten WLAN-Stick soll ich manuell einen Treiber installieren. Das bedeutet : Windows wieder herunterfahren, Ubuntu starten, den Treiber aus den Tiefen des Web kramen, und zu Windows herüberkopieren. Nach der Installation (dazu muss auf eine Datei mit der Endung .exe geklickt werden) steht auch die Internetverbindung.
Der erste Blick in das Programmmenü dämpft die Freude gleich wieder, denn es werden so gut wie keine Programme mitgeliefert, nicht einmal Textbearbeitung oder gimp. Nach einiger Suche finde ich die Paketverwaltung, welche sich unter „Software hinzufügen/entfernen“ versteckt, doch auch hier gähnende Leere: es werden keine Programme angeboten. Anscheinend soll man sich alle tarballs selbst beschaffen und kompilieren, denn Windwows kennt weder .deb, .rpm noch sonst irgendeine Art von Paketen. Die Windowshotline verrät uns allerdings, dass wir wieder auf .exe-Dateien angewiesen sind, anscheinend das Windows-eigene Paketformat. Auf den Projektseiten der Programme finden wir tatsächlich hin und wieder Windowspakete, zumindest bei den großen Projekten wie Blender oder Openoffice. Die Installation geht auch tatsächlich leicht von der Hand, nur dass jedesmal nach dem Ordner gefragt wird, wo das Programm installiert werden soll, stört etwas.
Die Shell bei Windows nennt sich nicht Shell sonder „cmd“ und lässt einiges an gewohntem Linuxkomfort vermissen, und dass die Ordner mit „\“ statt mit „/“ separiert sind macht die Sache auch nicht einfacher. Simple Funktionen wie cat, ls oder grep fehlen völlig.
Es wird auch nur ein Fenstermanager mitgeliefert, was wohl gerade auf alter Hardware zu Problemen führen dürfte. Auch hier offenbart sich das Fehlen von Konfigurationsdateien und einer tty-Konsole als katastrophal. Glücklicherweise funktionierte des Grafiktreiber automatisch, wenn dies nicht der Fall ist wird die Distribution wohl unbenutzbar sein – das muss noch verbessert werden.
Schließlich war ich froh wieder in meinem Linux-System zu sein – Windows mag zwar eine interessante Alternative für Experimentierfreudige sein, doch es muss noch viel nachgebessert werden. Eine out-of-the-box Unterstützung von Netzwerk, ext3, mountpoints und so simple Sachen wie pdf-Dokumenten ist wohl das Mindeste. Ansonsten wird es Windows sehr schwer haben im Linux-dominierten Markt, zumal man einen dreistelligen Betrag zahlen muss.
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